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DeepTech überholt SaaS: Deutsche Startups locken US-Investoren

DeepTech überholt SaaS: Deutsche Startups locken US-Investoren
Photo by Markus Winkler / Unsplash

Deutschlands Venture-Kapital-Szene stabilisiert sich 2024 trotz anhaltender Herausforderungen. DeepTech und KI-Startups dominieren, klassische SaaS-Modelle verlieren an Boden. Das geht es aus dem aktuellen Orrick Report hevor, der heute veröffentlicht wurde.

Nach dem Kater von 2023 zeigt der deutsche Markt Stabilität – mit klaren Gewinnern und Verlierern. DeepTech und KI-Startups saugen das verfügbare Kapital auf, während klassische SaaS-Modelle in der Gunst sinken. Die neue Realität ist brutal und selektiv.

Berlin bleibt Deutschlands Tech-Magnet, während München und Düsseldorf im Windschatten aufholen. Besonders auffällig: Deutsche DeepTech-Gründer locken zunehmend US-Kapital mit Doppelstrukturen an – ein taktisches Manöver, das funktioniert.

Die Finanzierungsbedingungen sprechen eine klare Sprache: Early-Stage blüht, während Series B+ kämpft. Investoren fordern härtere Bedingungen – 3-5x Liquidationspräferenzen erscheinen in Verträgen, Pay-to-play wird Standard. Der Markt sortiert sich neu.

Das Risikokapital-Volumen erreichte 8,2 Milliarden Dollar – respektabel, aber weit entfernt vom Hype-Peak. Die Qualität der Deals nimmt zu. Frühere Spekulationen weichen fundierteren Geschäftsmodellen.

Ein Trend verfestigt sich: US-Investoren wittern Chancen im deutschen Ingenieurswissen. Sie pumpen Kapital in Quantencomputing, Halbleiter und industrielle KI – Bereiche, in denen deutsche Startups glänzen. Diese transatlantische Finanzspritze kompensiert teilweise Europas chronischen Mangel an Growth-Kapital.

Europas Venture-Kapital 2024: Schmerzhafte Anpassung, gezielte Erholung

Europas Venture-Markt schrumpfte 2024 auf 52 Milliarden Dollar – ein Minus von 15% gegenüber 2023. Dennoch übersteigt dies deutlich das Vor-Pandemie-Niveau. Die Zahlen offenbaren einen reifenden Markt mit neuen Prioritäten.

Das europäische Dreigestirn – UK, Deutschland, Frankreich – dominiert weiterhin. London behauptet seine Position als KI-Hauptstadt Europas, während Paris mit staatlicher Unterstützung (Bpifrance und das 7-Milliarden-Euro "Tibi"-Programm) punktet. Überraschend: Italien steigerte sein VC-Volumen um 31% auf 1,1 Milliarden Dollar – ein Lichtblick im südeuropäischen Raum.

Die Sektorverschiebung ist markant. KI und maschinelles Lernen halten stabil bei 33% aller Finanzierungen. DeepTech explodiert von 15% auf 23% – getrieben von Halbleitern, Quantencomputing und SpaceTech. SaaS und Plattformgeschäftsmodelle fallen von 31% auf 21%. FinTech erholt sich leicht (von 12% auf 16%), besonders bei Blockchain und digitalen Zahlungslösungen.

Europas ESG-Fokus bleibt ein Alleinstellungsmerkmal. GreenTech-Startups profitieren von regulatorischem Rückenwind und neuen Förderprogrammen. In Frankreich allein flossen 4 Milliarden Euro in nachhaltige Technologien.

Finanzierungsinstrumente im Wandel

Das klassische Venture-Debt-Modell verliert an Boden. Investoren fordern zunehmend aktienähnliche Bedingungen – 41% aller Kreditverträge beinhalteten Vorzugsrechte und Exit-Prämien von 2-3x. Als Reaktion wenden sich Gründer alternativen Instrumenten zu.

SAFEs (Simple Agreements for Future Equity) und ASAs (Advance Subscription Agreements) erobern den Markt. Sie machen 63% aller Wandelfinanzierungen aus – ein klarer Trend weg vom traditionellen Fremdkapital. Gleichzeitig sinken die Umwandlungsabschläge auf unter 20%, ein positives Signal für Gründer.

Sekundärtransaktionen boomen. Über 30% aller Finanzierungsrunden beinhalteten Sekundärkomponenten, die Gründern frühzeitige Liquidität ermöglichen. Dieser Trend setzt bereits in Series-A-Runden ein – deutlich früher als in vorherigen Zyklen.

Bewertungen und Governance: Das neue Normal

Die Bewertungskorrekturen haben sich stabilisiert. Investor-seitige Deal-Werte stiegen um beachtliche 66%, während unternehmensseitige Bewertungen leicht sanken (-3%). Option-Pool-Aufstockungen wurden in 70% aller Deals Standard – ein Anstieg von über 30 Prozentpunkten gegenüber 2023.

Bei Governance-Strukturen bleibt das Bild gemischt. Führende Investoren sichern sich in 80% der Transaktionen Vorstandssitze. Die persönliche Haftung von Gründern nimmt ab – nur 29% der britischen Venture-Deals verlangten persönliche Gewährleistungen, was sich dem US-Modell anpasst.

Liquidationspräferenzen normalisieren sich. Der einfache, nicht-partizipierende 1x-Vorzug dominiert mit 79% aller Deals – eine Rückkehr zu Vor-2023-Standards. Anti-Verwässerungsschutz mit breiter gewichteter Durchschnittsberechnung findet sich in 80% der Finanzierungen.

Ausblick 2025: Elektrisierender Neustart erwartet

Für 2025 prognostiziert der Orrick-Report eine deutliche Belebung. Die Zinssenkungen von EZB und FED werden frisches Kapital freisetzen. Die Exits durch M&A und selektive IPOs dürften zunehmen, besonders im KI- und Cybersecurity-Bereich.

Deutschland profitiert von seinem 1-Billion-Euro-Paket für Energie- und Infrastruktursicherheit. Startups im Bereich kritischer Infrastrukturen werden davon überproportional profitieren.

US-Investoren werden ihre europäische Präsenz weiter ausbauen. Deutschland positioniert sich dabei als Brücke zwischen dem europäischen und amerikanischen Tech-Ökosystem – ein strategischer Vorteil im kommenden Aufschwung.

Die Standardisierung von Deal-Terms wird voranschreiten, was Gründern und Early-Stage-Unternehmen zugutekommen wird. Die Zeiten von Panik-getriebenen Investorenschutzklauseln neigen sich dem Ende zu.

Warum das wichtig ist:

  • Europas Venture-Kapital bewegt sich von Quantität zu Qualität – 15% weniger Geld fließt in bessere Deals mit nachhaltigeren Geschäftsmodellen
  • Der Markt bestraft Mittelmaß brutal: DeepTech-Startups boomen (+8%), während SaaS-Plattformen (-10%) das Nachsehen haben

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